Hilfe! Werde ich politisch verfolgt?

Ihr kennt mich. Wahrscheinlich habe ich Euch irgendwann auf einer Demo gedumpsterte Snacks geschenkt. Oder Ihr habt mich mit meinem kurz-schluss-Schild tanzen gesehen. Früher habe ich auch viele einfach mit meinem Lächeln aufgemuntert. Das ist derzeit etwas schwierig. Aber auch mit Maske ist für alle, die mich kennen, vollkommen klar, daß ich lieber Liebe verbreite als Hass. Und zwar möglichst konkret.

Damals in den 80ern mußte ich deshalb noch vor einer Gewissenskommission „beweisen“, daß ich zu friedliebend bin, um den Wehrdienst anzutreten. Heute entscheiden das faschistoid auftretende Polizisten, sogar ohne mich überhaupt anzuhören.
Als ich am 30.1.2021 auf eine friedliche, genehmigte und C19-sichere Demonstration für mehr Solidarität von mehreren sozialistischen und anderen Organisationen ging, kam ein kahlgeschorener und äußerst aggressiv auftretender Beamter gezielt auf mich zu und forderte mich auf wegzugehen, weil er sich einbildete, ich wollte vielleicht die Veranstaltung stören. Ich fragte freundlich, wie er auf diese abstruse Idee käme. Aber er drängte mich mit einigen Kollegen nur wortlos herum. Zum Glück sah ich einige Freunde und konnte mich zu denen retten. Leider war diese unangenehme Situation damit noch nicht erledigt.

Die martialischen Beamten stellten sich weiterhin immer wieder um mich, versperrten mir die Sicht und machten mir immer mehr Angst. Nur weil mich zu viele Leute kannten und freundlich grüßten, trauten sie sich nicht, ganz offensichtlich einzuschreiten. Ja, bis hierher, könnte alles auch nur an meiner Wahrnehmung liegen. Aber als wir nach der Veranstaltung weggingen, folgte uns genau diese Horde kriegerisch und Furcht einflößend Uniformierte einige hundert Meter weit, bis uns die restlichen Demonstrierenden nicht mehr sahen. Dann hielten sie uns plötzlich auf, verlangten unsere Ausweise und zeigten uns ohne vorherige Aufklärung gleich an, weil wir am Gehsteig keine zwei Meter Abstand eingehalten hatten. Ich erklärte freundlich, daß es sich hier um ein Paar handelte, mit dem ich sehr gut befreundet sei. Meines Wissens sei der Besuch einer Person in einem Haushalt erlaubt. Dieser Freund ist seit vielen Jahren der Mensch mit dem ich am zweitmeisten Kontakt habe. Wie kann ein Besuch erlaubt, aber an der frischen Luft nebeneinander gehen verboten sein? Dürfte ich mit meinen besten Freunden auf schmalen Gehsteigen ständig nur weit entfernt hintereinander gehen?

Statt die rechtliche Situation zu klären, begann einer der Rambos meinen Freund anzuschreien. Dieser stottert seit frühester Kindheit, und hatte „Pozelei“ statt Polizei gesagt. Der Kahlgeschorene schien sich deshalb provoziert zu fühlen oder einfach nur einen Grund für Schikane zu suchen. Es war beängstigend.
Warum sind die uns jetzt extra so lange nachgegangen, bis wir uns kurz etwas zu nahe gekommen sind? Ich erinnerte mich daran, daß auf der Demo davor gewarnt wurde, daß Nazis herumlaufen und uns provozieren könnten. Ich wollte noch fragen, ob wir vielleicht vor diesen beschützt werden sollten, kam aber nicht mehr dazu, weil mir dieser Aggressivste gleich das Wort im Munde umdrehend unterstellte, ich hätte ihn persönlich als Nazi beschimpft. Eine weitere Anzeige folgte. Eine Klärung war nicht möglich. Offensichtlich ging es dieser Bande nicht um Konsens sondern nur um Unterdrückung.
Wir waren heilfroh, als wir endlich weg kamen und dieser strukturellen und körperlichen Gewalt nicht weiter ausgeliefert waren. (Und die Polizei war ganz offensichtlich nicht zufällig hinter uns her gegangen, weil sie danach wieder in die Gegenrichtung zu den anderen Demonstrierenden zurückging. Hoffentlich wurden dort nicht noch mehr unschuldige Leute angezeigt.)

Die Gesetzeslage ist ganz eindeutig:
§ 35 SPG sagt, wann die Feststellung der Identität eines Menschen zulässig ist. Keiner der aufgeführten Gründe trifft auf diese Situation zu. Diese Amtshandlung war deshalb von Anfang an gesetzeswidrig.
§ 31 SPG (2) 5. stellt die Unvoreingenommenheit sicher, also daß keine Diskriminierung z.B. aufgrund der ihrer politischen Auffassung usw. empfunden wird. Auch dieses Gesetz wurde ganz eindeutig gebrochen. Ganz gezielt bei einer Demo einzelne Leute grundlos fortzuschicken und danach zu verfolgen und anzuzeigen, läßt absolut keine Unvoreingenommenheit erkennen.

Am nächsten Tag sehe ich Bilder von tausenden Menschen, die ganz ohne Maske oder Abstand die gesammte Innenstadt blockieren. Die allermeisten werden von der Polizei ignoriert. Viele Polizisten legen sogar demonstrativ die Helme ab, und demonstrieren mit, nehmen sogar Anweisungen von den Redelsführern an, statt diese illegale Zusammenkunft zu räumen. Erst nach vielen Stunden gibt es angeblich erste Verhaftungen von Leuten, die Steine auf die Polizei werfen. Der Innenminister erklärt im Fernsehen, diese verbotene Versammlung sein auf Grund des Versammlungsrechtes nicht aufgelöst worden, weil es unverhältnismäßig gegenüber „Unschuldigen“ gewesen wäre. Tausende Rechte, die sich an gar keine Regeln halten, sind also „unschuldig“? Da wird nur ein ganz kleiner Teil der Leute angezeigt. Aber drei Linke werden so lange observiert, bis sie sich am schmalen Gehsteig kurz nur ein bißchen näher als zwei Meter kommen, und dann ohne Vorwarnung sofort hart bestraft? Rechte werden erst verhaftet, wenn sie wirklich handgreiflich werden, aber bei Linken reicht eine nur in der Phantasie eines Glatzkopfes existente Beleidigung?

Wird die Polizei von unserem gewaltverherrlichenden Innenminister angewiesen, Leute je nach ihrer politischen Gesinnung zu schikanieren, einzuschüchtern, davonzujagen und sogar wegen Willkürgesetzen anzuzeigen, die friedlich und sicher für Solidarität auf die Straße gehen?
Wenn es tatsächlich nur um die Corona-Maßnahmen ginge, warum gelten dann bei Rechten andere Maßstäbe? Und warum werden dann nicht die unzähligen Leute kontrolliert, die viel länger und viel enger ohne Maske nebeneinander im Auto sitzen? Wo ist hier die Verhältnismäßigkeit?
Oder handelt es sich hier um Amtsmissbrauch von einzelnen Beamten, die genehmigte, politische Versammlungen offenbar böswillig behindern wollen, obwohl alle Sicherheitsmaßnahmen eingehalten werden?
Muß ich jetzt wieder vor einer Kommission beweisen, daß ich Pazifist bin? Ich bin dazu bereit. Auf friedensturm.hoog.at ist seit über zehn Jahren mein Einsatz zu sehen. Aber ich wünsche mir ebenso von unseren ehemaligen Freunden & Helfern, daß eine Gewissenskommission bei jedem einzelnen die Eignung und Motivation für diesen verantwortungsvollen Beruf prüft. Offenbar müßte ich jedoch vor einer Kommission eher eine rechte Gesinnung vortäuschen, um von der Polizei nicht weiter schikaniert zu werden. Müssen wir ethisch gute Anliegen in Codes versstecken, wie in einem Polizeistaat? Statt von Hilfsbereitschaft nur noch von Heimatliebe sprechen? Das bedeutet dann, ich werde politisch verfolgt, oder?

Das mag für mache jetzt übertrieben klingen. Aber wer das noch nicht selbst erlebt hat, kann sich nicht vorstellen, wie beängstigend es ist, zu wissen, daß die Polizei Dich persönlich gezielt verfolgt und schikaniert. Ich muß mich seither ehrlich überwinden, auf die Straße zu gehen. Sobald ich irgendwo Polizei sehe, habe ich Angst. Wie ich das mit meinem Verfassungsrecht auf freie Meinungsäußerung in Zukunft schaffen werde, weiß ich noch nicht. Auch mit diesen Zeilen habe ich gezögert. Ich will mich von diesen augenscheinlich von politischen Motiven getriebenen Rambos nicht knebeln lassen. Aber ich werde Eure Solidarität brauchen. Diese Solidarität, für die auf die Straße zu gehen, manche Polizisten zu verhindern versuchen.
Vielleicht schon bei der nächsten Donnerstagsdemo am Platz der Menschenrechte?