der Fluch der Schönheit

der Fluch der Schönheit

Ich kam mal mit einer attraktiven, jungen, blonden und sehr selbstbewußten Frau ins Gespräch und fragte sie, was sie so machte. Sie erzählte mir, sie wollte einen Sex-Ratgeber schreiben, und erinnerte mich dabei an eine Schönheit, die nackt auf meinem Bett liegend sagte, sie wolle mit mir schlafen. Als ich darauf entgegnete, „gut, dann bring mich dazu, daß ich das auch will,“ meinte sie nur ganz perplex, bisher hätte immer genügt, daß sie sich nackig machte.
Ich weiß nicht, ob besagter Sex-Ratgeber auch tatsächlich geschrieben und veröffentlicht wurde. Wenn dann wird er wohl leider auch recht erfolgreich sein. Auch wenn ich allen meinen Mitmenschen grundsätzlich Erfolg & Glück wünsche, muß ich hier „leider“ schreiben, weil ich befürchte, daß diese Frau denkbar ungeeignet für so eine Aufgabe ist. Zum einen wird sie sich wohl aufgrund ihrer Jugend noch nicht viel Erfahrung angeeignet haben können, und sollte sich dieses Vorhaben wohl lieber noch ein paar Jahre aufheben. Zum anderen hat sie sich wegen ihrer Attraktivität wohl nie viel um ihre Fähigkeiten als Liebhaberin kümmern müssen. Und ein Buch, das etwas überzeichnet nur die Ratschläge „sei jung & attraktiv“ zu bieten hat, kann höchstens als Bilderbuch punkten. Ja, ich kenne einige Menschen, die Bücher oder CDs nur aufgrund des Autoren- oder Coverbildchens kaufen. Deswegen befürchte ich ja auch, daß diese junge Frau erfolgreich sein mag.
Auch wenn das jetzt hart klingt, wäre Alter & Unattraktivität die bessere Voraussetzung, um die Erfahrungen zu machen, die wirklich gute Liebhaber_innen ausmachen.
Natürlich nur, wenn konstruktiv das Beste daraus gemacht wird. Aber leider verlaufen die meisten Lebensläufe nicht so konstruktiv.

Kürzlich sah ich ein Interview, in dem sich eine ältere Frau ausführlich und ziemlich verbittert darüber beschwerte, daß Frauen ab Vierzig – also ihr halbes Leben lang – nicht mehr attraktiv gesehen werden. „Ohje,“ dachte ich, „wenn Du wüßtest, wie viele Menschen ihr ganzes Leben lang nicht attraktiv gesehen werden. Die müssen sich eben ihren Selbstwert auf anderem Fundament aufbauen, der sich langfristig vielleicht als stabiler erweist.“
Ich hatte ja – im nachhinein gesehen – das Glück, mir meiner äußeren Attraktivität nie bewußt gewesen zu sein. Deshalb bemühte ich mich darum, mir viele Fähigkeiten anzueignen, spannende Sachen zu machen, zu einem interessanten Menschen zu werden. Inzwischen weiß ich, daß ich früher auch äußerlich nicht unattraktiv war, aber was mich wirklich ausmacht, meine Ideen, Erkenntnisse, Fähigkeiten, Projekte, das schwindet nicht mit dem Alter.

Viele ältere Damen geben sich gerne weise. Doch Weisheit kommt eben nicht automatisch mit dem Alter sondern muß hart erarbeitet werden. Wer sein Leben lang nur jung sein und immer wieder von vorne beginnen will, ohne zu reflektieren, Mißverständnisse zu klären, aus Fehlern zu lernen, sich weiterzuentwickeln, kann später auch nur ebenso oberflächlich weise Rollen posen.

Deshalb wünsche ich allen, die nur aufgrund ihres Äußeren liebenswert scheinen, daß sie sich nicht darauf ausruhen sondern lernen, ethisch schön zu handeln & zu leben.