Reden ist Silber …

„Jeden Tag eine Zeile,“ sagte der Dichter einst. Da gab es noch nicht so viele, die schreiben, und nur ganz wenige, die veröffentlichen konnten. Mit dem Internet begann sich alles zu ändern, und seit das gewinnbringende Bedürfnis bei immer mehr Usern geweckt werden konnte, in öffentlichen Tagebücher möglichst viel von sich zu geben, oder schlimmer noch: Unsinnsprüche & Halbwahrheiten zu teilen, wird die Welt meterhoch von einem Tsunami aus Worten & Bildern überschwemmt.
Eine Milliarde Dichter schreiben viele Milliarden Zeilen, doch wer liest das alles? Wie viel geht in der Flut unter, bleibt ungelesen, vielleicht für immer? Würden die frühen Schreiber literarischer Meilensteine heute beachtet? Viele von ihnen wurden zu Lebzeiten mißverstanden, ignoriert, gehaßt, verbrannt. Wie viele wurden vergessen, bevor sie irgendjemand verstehen konnte? Was heute seiner Zeit voraus ist, verschwindet mit beunruhigender Sicherheit im Datennirvana. Wie viel geht der Menschheit dadurch für immer verloren?
Auch wenn wir nicht gleich Thomas Bernhards Ratschläge zum Umgang mit Photographen auch gleich auf alle Schreiberlinge anwenden müssen, so tut es ganz sicher gut, wenn alle bedächtiger und vielleicht auch weniger schreiben.

„Wenn Du etwas zu sagen hast, sprich’s in ein Sackerl und stell’s in’s Eck!“ Wer es hören will, wird Dich fragen. Wer’s nicht hören will, hört sowieso nicht zu.“ Ich halte mich seit Jahren immer mehr an diesen Rat. Früher war ich Schriftsteller, aber seit immer mehr Leute immer mehr schreiben, werde ich immer schweigsamer.
Ich wollte & will mich nie aufdrängen, hatte nie den Ehrgeiz, gesprächige Wichtigtuer zu korrigieren. Wenn sich andere in den Mittelpunkt stellten, wurde ich immer leiser. Wer lieber denen glaubte, die wenig wußten aber alles bessser wissen wollten, nahm & nimmt wenig wahr von mir.
Nur wenn ich gefragt werde, antworte ich. Und was schon gesagt wurde, wiederhole ich nicht.
Der Rest ist Schweigen.